Zur Hauptseite wechseln

Vom Irak in die Schweiz – hier stellen wir Odai vor

Ich heisse Odai Al Fallooji. Ich bin 42 Jahre alt und wurde in Bagdad geboren. Ich habe einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftswissenschaften. Ich bin Vater von drei Kindern. Vor drei Monaten begann ich bei IKEA zu arbeiten und zu lernen.

Ein Porträt von Odai, einem Geflüchteten aus dem Irak und Mitarbeiter bei IKEA Schweiz. Er steht vor einem Hintergrund in Gelb und Blau.

Ich wuchs in einer Familie auf, die aus Vater und Mutter, zwei Schwestern und drei Brüdern bestand. Die meisten von ihnen sind nicht mehr im Irak. Meine Mutter lebt als Einzige noch dort.

Ich erinnere mich an viele Dinge aus meiner Kindheit, doch die meisten Erinnerungen sind nicht schön. Ich wurde 1979 geboren – ein Jahr nachdem der Irak den Krieg gegen den Iran begann. Dann kam die Krise mit Kuweit. Und dann wurde alles noch schlimmer. Daher war mein Leben bis jetzt meist sehr schwierig.

Zurück im Irak arbeitete ich mehr als 10 Jahre lang auf dem Bau. Dann begann ich 2004 als Supervisor in einem Warenlager für ein Unternehmen zu arbeiten, das die US-Armee im Irak logistisch unterstützte. Danach gründeten meine Freunde und ich ein Bauunternehmen, bei dem ich Geschäftsführer war.

2015 war eine sehr schwierige Zeit für mein Land – besonders wegen des IS und der Miliz. Sie fingen an, Menschen wegen ihrer Einstellung zu Rasse und Religion zu töten und zu entführen. Daher war es für mich unmöglich, länger im Irak zu bleiben.

Für Odai steht die Familie an erster Stelle

Ich suchte nach einer Möglichkeit, meine Familie zu retten. Damals dachte ich zuerst darüber nach, alle in die Schweiz zu verfrachten. Denn in der Schweiz gab es nie irgendwelche Kriege. Daher zog ich 2015 hierher mit meiner Frau und unseren drei Kindern.

Odai, ein Flüchtling aus dem Irak und jetzt IKEA Mitarbeiter, lehnt sich in einem schwarzen Sessel zurück. Er trägt Jeans und einen Kapuzenpullover.

Die Reise war sehr gefährlich und nicht leicht. Wir mussten von der Türkei nach Griechenland mit einem kleinen Boot über das Mittelmeer – das war sehr gefährlich. Und wir mussten sieben Tage lang laufen und konnten auch ein Stück per Bus fahren. Manchmal war es sehr, sehr schwierig.

Jetzt arbeite ich bei IKEA in der Logistik. Ich bin nicht mehr länger Geschäftsführer! Aber darauf kommt es nicht wirklich an. Das Wichtigste war, meine Familie zu retten. Und vielleicht werde ich Schritt für Schritt wieder ein neues Unternehmen in der Schweiz gründen. Ich weiss noch nicht.

Arbeit, Schule, Hoffnungen und Träume

Unter der Woche gehe ich an zwei Tagen in die Schule und an den anderen drei Tagen arbeite ich bei IKEA. Alle paar Monate komme ich in eine andere Abteilung. Aktuell bin ich in der Qualitätskontrolle. Wenn meine Ausbildung abgeschlossen ist, habe ich noch zwei Jahre bis zum Diplom.

Odai, ein Flüchtling aus dem Irak und jetzt IKEA Mitarbeiter, trägt eine gelbe Weste und schaut auf den Bildschirm einer Maschine.

Ich möchte bei IKEA bleiben. Meine Kolleg*innen unterstützen mit sehr und sind sehr nett. Sie helfen mir, wenn ich etwas brauche oder etwas frage. Meine Kolleg*innen geben mir das Gefühl, zum Unternehmen und Land hinzuzugehören.

Ich träume davon, zu studieren und ein Diplom zu machen. Ausserdem möchte ich meine Fähigkeiten ausweiten, damit ich in der Schweiz etwas hinterlassen kann. Und ich möchte die Erlaubnis bekommen, reisen zu dürfen, denn das dürfen Flüchtlinge in der Schweiz nicht. Ich möchte meine Mutter sehen, weil ich sie seit sechs Jahren nicht besucht habe. Ich weiss, dass sie sehr traurig darüber ist.

OdaiIKEA, Qualitätskontrolle

Ich kann nicht in den Irak reisen, weil ich keine Erlaubnis habe. Meine Mutter ist aber noch dort. Beinahe täglich denke ich an sie. Wenn ich meine Heimat vermisse, sitze ich für mich allein und denke nach. Ich will nicht, dass meine Familie das sieht und denkt, dass ich aufgebe oder so. Dann gehe ich an den Fluss. Ich will nur sitzen und nachdenken.

In meiner Freizeit koche ich gerne irakische Gerichte für meine Familie. Besonders Dolma. Ausserdem repariere ich gerne elektrische Geräte und Werkzeuge. Da bin ich gut drin. Das ist mein geheimes Talent. Ich mag es, eine Lösung für ein Problem zu finden.

Einen Moment der Ruhe finden

Wenn wir die Fotos ansehen, die ich gemacht habe, fällt das eine von mir am Fluss besonders auf. Es zeigt mich in einem Moment, an dem ich ich selbst sein und meinen Gefühlen Ausdruck geben kann – ganz ohne zu zögern. Und in dem Moment werde ich nicht beurteilt.

Odai, ein Flüchtling aus dem Irak und jetzt IKEA Mitarbeiter, steht an einem Fluss.

Meine Arbeit ist mir wichtig, weil ich eine praktische Person bin. Mir macht das Arbeiten auf einem Gebiet, das mir gefällt, Spass und bietet Abwechslung vom Alltagsstress. Ich lerne gerne etwas Neues und eigne mir gern neue Dinge an, um meine Familie und mich auch finanziell zu unterstützen.

Mir ist wichtig, dass die Menschen verstehen, dass wir Flüchtlinge unser Zuhause nicht freiwillig verlassen. Ausserdem sollten sie wissen, dass wir versuchen, das Gleiche zu erreichen wie alle anderen: eine gutes, sicheres Leben für unsere Familien und uns.

OdaiIKEA, Qualitätskontrolle