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Abdis Geschichte

Die Kraft der Entschlossenheit 
Abdi floh als Teenager aus Somalia und machte sich auf eine sechsmonatige, gefährliche Reise nach Österreich.  

Abdi, der eine Warnweste trägt, steht mit verschränkten Armen in einem Korridor und lächelt.

Abdi trägt eine reflektierende Warnweste und ein Hemd und geht durch ein großes Lager voller organisierter Regale und Kartons.

Zum ersten Mal weg von Somalia

Durch das Erlernen der Sprache, eine Ausbildung und das Erlernen neuer Kompetenzen konnte Abdi sich ein neues Leben aufbauen.  

Zu Hause in Somalia gehörte ich zu den Glücklichen, denen es besser ging. Meine Familie konnte es sich leisten, mich zur Schule zu schicken. Ich habe außerdem eine Begabung für Mathematik und absolvierte eine Ausbildung in Buchhaltung.

Ich verbrachte meinen Tag damit, zu lernen, im Familienunternehmen zu helfen und mit meinen Freunden auf der Straße Fußball zu spielen. Es waren gute Zeiten. Dann nahmen bewaffnete Gruppen junge Leute ins Visier, rissen sie aus ihren Familien, zwangen sie, bei militärischen Aktionen mitzumachen.  Ich erlebte mit, wie Freunde verschwanden und wie sich ihr Leben veränderte. Das war für mich nie eine Option.

Als ich 17 war, half mir mein Onkel, dem zu entkommen und aus dem Land zu flüchten, bevor es zu spät war. In Mogadischu stieg ich in einen Flieger nach Istanbul in der Türkei. Ich verließ zum ersten Mal Somalia, saß zum ersten Mal in einem Flugzeug und hatte den ersten Schritt in eine völlig fremde Welt getan. Es folgte eine lange Reise über verschiedene Grenzen hinweg, manchmal heimlich im Schutz der Dunkelheit. Es war schrecklich, nicht zu wissen, wann ich endlich in Sicherheit sein würde.  

Neue Herausforderungen    

Ich bin froh, dass mein Weg mich hierher nach Österreich geführt hat. Es ist ein sicheres Land, das zu meiner zweiten Heimat geworden ist.   Aber am Anfang war es hart. Zu Hause hatte ich alles, was ich mir wünschen konnte. Hier dagegen herrschte eine ganz andere Kultur. Ich tat mich mit den kleinsten Dingen schwer, zum Beispiel mit dem Essen. Ich war ohne Familie, ohne Freunde und ohne eine Person, die sich um mich kümmerte. Ich konnte nicht einmal kochen, darum aß ich nur Brot. Sogar eine Tasse Tee zu machen, war für mich schwierig.    

Und die Sprache zu lernen, war auch nicht leicht. Das war mein allerwichtigstes Ziel. Ich wollte hier leben, so schnell wie möglich die Sprache lernen, zur Uni gehen und mein Studium fortsetzen. Also ging ich von Schule zu Schule und fragte nach einem Platz in einem Deutschkurs. Ich sparte von meiner kleinen staatlichen Unterstützung jeden Euro, den ich nur konnte, um die Kurse zu bezahlen.

Ich bin in Somalia zwar zur Schule gegangen, aber das Bildungsniveau in Österreich ist ein ganz anderes. Ich wusste, Bildung würde mir den Weg in ein neues Leben ebnen. Also blieb ich dran.    

"Ja, wir sind aus unserer Heimat geflohen, aber wir alle bringen Kompetenzen und Motivation mit. In vielerlei Hinsicht sind wir sogar motivierter als andere."
Abdi, der ein Hemd und eine Warnweste trägt, sitzt konzentriert an einem Konferenztisch an seinem Laptop. Daneben liegen ein Notizblock und eine Fernbedienung.

Endlich wieder Selbstvertrauen

Schließlich bekam ich einen Studienplatz im Fach Betriebswirtschaftslehre. Zahlen und Wirtschaft waren schon immer mein Ding. Die Chance, in Wien arbeiten zu können, bedeutete die Welt für mich. Ich verdiente Geld, mit dem ich Kleidung und Freizeitaktivitäten bezahlen konnte und um mir die Kompetenzen anzueignen, die ich brauchte. Ich konnte auch meine Familie unterstützen.    

Das „Skills for employment“-Programm von IKEA war eine weitere Stufe auf der Leiter. Das Leben fühlte sich wieder gut an. Fast die Hälfte der Bevölkerung Wiens hat einen Migrationshintergrund. Wenn diese Menschen unterstützt werden und sie die Möglichkeit bekommen, zu arbeiten, zahlen sie Steuern und Beiträge ins Gesundheitssystem ein.    

Ja, wir sind aus unserer Heimat geflohen, aber wir alle bringen Kompetenzen und Motivation mit. In vielerlei Hinsicht sind wir sogar motivierter als andere. Wenn ein Österreicher fünf Stunden lernt, muss ich für die gleiche Prüfung 10 Stunden lernen.  Ich bin dankbar und froh, dem System etwas zurückgeben zu können. Wenn alle eine Chance bekommen, ist nur der Himmel die Grenze. Wir können uns als Menschen und auch als Gesellschaft schnell entwickeln.

Statt über den Hintergrund, den Namen oder das Aussehen einer Person nachzudenken, überlege einfach, was diese Person Gutes in dein Unternehmen einbringen kann. Gib ihr eine Chance und ihr werdet beide erfolgreich sein.    

Kinder sind das Licht der Zukunft   

Kinder haben wollte ich erst, nachdem ich die österreichische Staatsbürgerschaft hatte. Ich will meinen Kindern all das ersparen, was ich durchgemacht habe. Meinen Jungs gefällt es im Kindergarten sehr gut. Wir leben in einer der schönsten, grünsten Wohngegenden Wiens.    

In den Urlaub fahren wir mit dem Auto oder besuchen verschiedene Städte. Es ist toll, sich frei von A nach B bewegen zu können. Ich will, dass meine Kinder verstehen, wie gut sie es im Vergleich zu Millionen anderen Kindern haben, die wegen ihrer Herkunft oder wegen ihrer Eltern benachteiligt sind. Das müssen sie begreifen und stolz sein.    

Ich wurde 2019 eingebürgert. Davor war es undenkbar, meinen Onkel in den USA zu besuchen. Danach konnte ich einfach ein Ticket buchen und Visa beantragen. Schon am nächsten Tag hielt ich alles Nötige in den Händen. Das ist wunderbar, aber was hat sich verändert? Ich bin immer noch die gleiche Person wie am Tag zuvor – nur jetzt eben mit Reisedokumenten.